Wie entsteht Dichtung? In welche Tiefen reicht sie zurück? Hinter welchen Masken treibt sie ihr Spiel, versteckt sie ihre Kräfte? Kann Dichtung hei-len - den einzelnen oder gar die Gesellschaft? Leidenschaftlich und ironisch pointiert stellt sich Ted Hughes diesen Fragen; seine nicht selten unbequemen Auskünfte gründen in einem staunenerregenden Kenntnisfundus. Mit autobiographischen Stücken beginnt die Auswahl: mit dem Felsen, in dessen bedrohlichem Schatten Ted Hughes aufwuchs, mit ersten Leseerfahrungen, mit dem dichterischen Initiationsakt des verbrannten Fuchses. Sodann geht es um Grundsätzliches: um kindliche Sensibilität und poetische Erfahrung, um das Verhältnis von Lyrik und Gewalt, um die Beziehung von Mythos und Erziehung. Der Mittelteil nimmt jene lebenslange Beziehung auf, die für Ted Hughes Schicksal und Verpflichtung zugleich wurde: die zu seiner ersten Frau Sylvia Plath. In ihm gibt der Dichter Auskunft über se ine Publikationsstrategien, über die psychischen Grundlagen von Ariel und die Entstehung ihrer Gedichte. Eine knapp gefaßte, aber temperamentvolle Darstellung der englischen Sprach- und Dichtungsgeschichte führt mitten hinein in umfangreiche Studien zu Shakespeare und T. S. Eliot, bevor die Auswahl sich auf das konzentriert, was Ted Hughes unter den regenerativen Energien von Dichtung und bildender Kunst verstanden hat: auf ihre archaischen Wurzeln, auf ihre Nähe zum Schamanismus und zur mystischen Frömmigkeit des Islam, auf ihre Parallelität zum Immunsystem des menschlichen Körpers. Die englische Ausgabe der Essays unter dem magischen Titel Winter Pollen umgibt ein Geheimnis: Zunehmend wurden Sammlung und Ausarbeitung dieser Prosastücke für Ted Hughes zur tödlichen Erfahrung. Er selbst brachte die Krankheit, der er schließlich erlag, in Verbindung damit, seine dichterischen Konzepte rationalisiert und den schützenden Kreis der Dichtung verlassen zu haben. Im Insel Verlag bislang ersc hienen: Der Tiger tötet nicht. Ausgewählte Gedichte. Englisch und deutsch.1998 Ted Hughes (1930-1998) gilt heute als einer der bedeutendsten englischsprachigen Dichter des 20. Jahrhunderts neben Eliot, Auden und Larkin. Zeitgenössische Lyriker wie die Nobelpreisträger Seamus Heaney und Derek Walcott zählten zu seinen Freunden und wurden von ihm beeinflußt. Sein letzter Gedichtband, die Birthday Letters über seine Beziehung zu Sylvia Plath, erschien nur wenige Monate vor seinem Tod und wurde ein Welterfolg.
