David L. Lindsey und die Kunst, mit dem Schreiben Geld zu verdienen: "Ich nahm mir vor, auf Anhieb einen sensationellen Roman zu schreiben." Er hatte sein Literaturstudium beendet, war lange Jahre Lektor und besaß einen eigenen kleinen Verlag, bevor er sich endlich entschloß, seinen schon immer gehegten Wunsch zu verwirklichen und selber einen Roman zu schreiben. Das Problem war nur, daß er damit Geld verdienen mußte, um seine Frau und seine beiden Söhne im schulpflichtigen Alter zu unterhalten. "Ich konnte es mir einfach nicht leisten, wie ein armer Poet zu leben, denn das hätte bedeutet, daß auch meine Familie darunter gelitten hätte", erklärt David L. Lindsey im Rückblick. "Also nahm ich mir vor, auf Anhieb einen sensationellen Roman zu schreiben." Das tat er, indem er beschloß, von Anfang an keinen typischen Kriminalroman, keinen Thriller im herkömmlichen Sinn zu schreiben, sondern eine eher literarische Variation des Themas zu erproben. "Ich wollte mich Schritt für Schritt von de trivialen Spielart dieses Genres entfernen, wegkommen von Sex, und Gewalt, von denen Klischées des harten Bullen und fiesen Gangsters. Ich wollte das Thema ernster nehmen." Der Erfolg gab ihm recht. Der Roman "Kalter Amok" eroberte auf Anhieb einen der obersten Plätze der internationalen Bestsellerlisten und machte seinen Autor über Nacht berühmt. Aber "Kalter Amok" bedeutete nicht nur den Durchbruch des Autors David Lindsey; er war auch die Geburtsstunde seines Helden Stuart Haydon, der inzwischen in weiteren Romanen sein kriminalistisches Gespür unter Beweis gestellt hat. Auch er entspricht nicht dem Durchschnittshelden des Genres, schon deshalb nicht, weil er in vielem die Züge seines Erfinders aufgeprägt bekommen hat: Haydon ist ein gebildeter Mann aus vermögendem Hause, eher ein Gentleman unter den Detektiven, der zu philosophischen Betrachtungen neigt und ein Liebhaber klassischer Musik und zeitgenössischer Kunst ist. Freilich stand das alles nicht von Anfang an fest. Detective Haydon gewann erst im Verlauf der Geschichte zunehmend individuelle Züge. "Alles, was ich wußte," sagt Lindsey, "war, daß Haydon gebildet sein mußte, weil er über Dinge nachdenken sollte, über die nur ein gebildeter Mann nachdenken kann, und daß er reich sein sollte, weil er über so etwas Banales wie Geld eben nicht nachdenken sollte. Ich hatte keine Lust, mir über einen Helden Sorgen zu machen, der sich über Geld Sorgen machte." Trotz der Sympathie, die der Autor im Lauf der Jahre für seinen Helden entwickelt hat, ist die Hauptfigur in Lindseys wohl erfolgreichstem Roman, dem Weltbestseller 'Abgründig' eine Frau: Detective Carmen Palmer vom Morddezernat Houston. Als einzige Frau unter siebzig männlichen Kollegen wird sie mit der Aufklärung einer Serie von besonders erschreckenden, rituell wirkenden Morden beauftragt und verstrickt sich im Laufe ihrer Ermittlungen in ein raffiniert gesponnenes Netz, aus dem es weder für die Täter noch für die Opfer, noch für die Verfolger einen Ausweg zu geben scheint. In diesem atemberaubenden Thriller, für den er 1992 den Deutschen Krimi Preis erhielt, erweist sich David Lindsey ein weiteres Mal als ein herausragender Stilist, als ein Meister der knappen, aber perfekten Charakterisierung und ein genauer Kenner seiner Schauplätze - kurz: als ein Könner seines Genres. Und das, obwohl er selbst eigentlich gar kein Interesse an Kriminalromanen hat und die Bücher seiner Kollegen in der Regel nicht liest. Nur einmal in seinem Leben hat er das getan. Das war, nachdem er beschlossen hatte, sich und seine Familie mit dem Schreiben zu finanzieren. Damals hatte er sich zwölf der besten Kriminalromane besorgt, von Dostojewskij bis zu Zola, von Simenon bis zu Hammet. "Als ich das alles durchgelesen hatte", sagt er heute mit gelassenem Selbstbewußtsein, "wußte ich, daß es ziemlich viele Möglichkeiten gab, einen guten Thriller zu schreiben. Und ich wußte, daß auch ich mir irgendeinen Patz in dies
