Tödi Sehnsucht und Traum
Der Tödi hat Spuren im Leben der Menschen hinterlassen,
die von ihm träumten und die sich aufmachten, seine Grate,
Gletscherbrüche und wilden Wände zu erforschen und zu bezwingen.
Eine eigenartige Tragik scheint ihre Schicksale zu verbinden.
Sechs Mal versuchte Pater Placidus a Spescha aus Trun zu Beginn
des 19. Jahrhunderts den Gipfel zu erreichen, fünf Mal der Arzt
und Politiker Johannes Hegetschweiler aus Stäfa am Zürichsee.
Beide scheiterten. Es waren einheimische Gämsjäger und Hirten,
die schliesslich die Erstbesteigung schafften: Placi Curschellas
und Augustin Bisquolm 1824 von Süden, Vater und Sohn Vögeli
mit Thomas Thut 1837 von Norden. Eine Woche später führten
die drei Linthaler einen ersten Gast auf den Tödi: den Sekretär
der Zürcher Armen-pflege Friedrich von Dürler. Drei Jahre später
stürzte von Dürler zu Tode am harmlosen Uetliberg bei Zürich.
Doch haben die Erstbesteiger wirklich den Gipfel des Piz Russein
oder des Glarner Tödi betreten oder haben sie nur auf dem flachen
Grat sitzend Brot und Speck verzehrt und die atemberaubende
Aussicht bewundert? Hochgelehrte Nachsteiger haben die Leistung
der Gämsjäger und Hirten in Frage gestellt unter ihnen Rudolf
Theodor Simler, Gründer und erster Zentralpräsident des Schweizer
Alpen-Clubs. Am Tödi lässt sich die Sozialgeschichte des
Alpinismus verfolgen, von den Anfängen bis in die Gegenwart. Der
Tödi, «Berg von göttlicher Majestät» nannte ihn der grosse Alpinist
Ludwig Purtscheller, hat Dichter und Künstler fasziniert und ihr
Werk beeinflusst.
Emil Zopfi
Geboren 1943, studierte Elektrotechnik und arbeitete als Entwicklungsingenieur
und Computerfachmann in der Industrie. 1977 erschien der Roman «Jede
Minute kostet 33 Franken». Seither hat er mehrere Romane, Hörspiele und
Kinderbücher verfasst sowie Presseartikel, Reportagen, Kurzgeschichten
und Kolumnen. Er lebt als freischaffender Schriftsteller, Journalist und
Erwachsenenbildner in Obstalden/GL und ist passionierter Sportkletterer.
Für seine Werke wurde er mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a. von
Stadt und Kanton Zürich, der Kulturstiftung Landis & Gyr, der Schweizer
Schillerstiftung, dem Kulturpreis des Schweizer Alpenclubs 1993 und dem
Glarner Kulturpreis 2001.